Ein ganz besonderer Vibe: DJ Richie Hawtin und seine Bar „Sake 36“ - WELT (2024)

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Manche sehen darin etwas, mit dem man mittelmäßiges Sushi hinunterspült. So wie es Leute geben soll, die Techno als Krach empfinden. Dabei ist schon der Aroma des Junmai Ginjos betörend: Der Premium-Sake duftet blumig und unverfälscht wie eine Schale Reis. Im Mund wird daraus eine blasse Süße mit herbem Unterton, wie gesalzene Kirschblüten. Dagegen riecht der Daiginjo, eine weitere hochwertige Sake-Sorte, wie ein Spaziergang im feuchten Wald. Winzig klein ist das nach japanischer Sitte randvoll gefüllte Glas, und viel zu schnell leer. Richie Hawtin, ein Meister auf doppeltem Gebiet, lächelt. „Sake und Techno haben dieselbe Frequenz“, sagt er. „Beides sorgt dafür, dass Menschen eine gute Zeit haben. Es geht um eine bestimmte Art von beautiful vibe, von Spaß und Zugehörigkeit.“

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Japanischer Reiswein

Sake ist kein Getränk - eher eine Philosophie

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Richie Hawtin ist einer der erfolgreichsten DJs der Welt. Schon vor Jahren hat er seine Liebe zu dem japanischen Traditionsgetränk entdeckt, das hierzulande auch unter der irreführenden Bezeichnung Reiswein gehandelt wird. Dabei ist Sake weder Wein noch Spirituose, es handelt sich vielmehr um ein Ferment, das aus Wasser, Reis und dem Schimmelpilz Koji gewonnen wird. „In meiner Idealvorstellung von einem Kühlschrank liegt neben Wein und einer Flasche Champagner immer auch ein ordentlicher Sake“, erklärt Hawtin.

Manche Sorten sind durchsichtig, andere sehen aus wie frische Milch. Einige glänzen bernsteinfarben, andere riechen nach Sojasauce. Man trinkt sie gekühlt, bei Zimmertemperatur oder erwärmt. Letzteres gilt vor allem für die gereiften Variationen. Die sensorische Vielfalt von Sake schätzen manche Experten größer ein als die von Wein.

Sake-Samurai in Kyoto

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In der Musikwelt ist Hawtin, der 1970 in England geboren wurde und in Kanada aufgewachsen ist, für eine extrem reduzierte und dabei sehr subtile Form von elektronischer Tanzmusik berühmt geworden, die zu prickeln und zu perlen scheint. Vor ein paar Monaten hat er sich gemeinsam mit seiner Partnerin Laura Käding und dem Sake-Fachmann Maximilian Fritzsch einen Lebenstraum erfüllt und das „Sake 36“ eröffnet, eine minimalistisch eingerichtete Bar in Berlin-Kreuzberg, die sich ganz der japanischen Spezialität widmet. Der Raum ist durchzogen von einem maßgefertigten Holztresen, in den Kühlschränken reihen sich Flaschen aneinander, die mit japanischen Schriftzeichen bedruckt sind.

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Deren Preise bewegen sich zwischen zwanzig und zweihundert Euro, manche Sorten werden auch glasweise ausgeschenkt. Rund zwanzig Hersteller umfasst das Portfolio, viele davon importiert der 50-Jährige exklusiv. Eine große Ehre für einen Nicht-Japaner, die ein jahrelanges Umwerben der Familienbetriebe verlangt. „Manchmal braucht es fünf Jahre, bis ich Zugang zu den Brauereien bekomme“, erzählt der Musiker, der drei bis fünf Mal im Jahr nach Japan reist. „Viele sind winzig, mit zwei, drei Tanks, und nicht mal in der nächsten Präfektur bekannt. Man erfährt deren Geschichte, probiert gemeinsam, und manchmal entsteht dabei diese gewisse Magie.“

Beim Treffen in der Bar, die derzeit geschlossen hat, ihr Sortiment aber über einen Online-Shop anbietet, trägt Hawtin ein schwarzes Shirt zur schwarzen Hose und eine asymmetrischen Frisur. „Wir wünschen uns, dass Leute ohne Hemmungen zu uns kommen“, sagt er. Er spricht Englisch mit kaum merkbarem britischem Akzent und wechselt nur einmal ins Deutsche, um mit dem Begriff „Gänsehaut“ auszudrücken, was er bei seiner ersten Japanreise empfunden hat.

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An seine erste Begegnung mit Sake erinnert Hawtin sich genau. „Das war 1994, ich war für einen Gig nach Japan gereist. Bei einem Dinner habe ich davon getrunken und sofort diese wunderbare Verbindung mit den anderen gespürt, obwohl kaum jemand Englisch sprach.“ 2007 machte er in Japan eine Ausbildung zum Sake-Sommelier und veranstaltete fortan immer wieder Partys, bei denen kleine Sake-Dosen ausgegeben wurden, wie sie in japanischen Convenience-Stores erhältlich sind. „Sake wirkt beschwingend und ist sozialen Situationen sehr zuträglich“, sagt er. „Eine Dose davon verleiht einem beim Feiern genau den richtigen buzz.“ 2013 gründete er sein eigenes Sake-Label, eröffnete eine Pop-up-Bar auf Ibiza und ließ Veranstaltungen in New York, Paris, Beirut und Barcelona folgen, immer mit dem Ziel, Novizen für das Getränk zu begeistern.

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Sein Engagement wurde belohnt. Vor sechs Jahren hat man ihn bei einer feierlichen Zeremonie in Kyoto zum Sake-Samurai ernannt. Mit dieser Auszeichnung werden Menschen geehrt, die sich um die Verbreitung der Sake-Kultur verdient machen. In seinem Ursprungsland hat Sake nämlich ein Imageproblem. Nur vier Prozent des landesweit verkauften Alkohols entfallen auf das vermeintliche Nationalgetränk. Gerade die Jüngeren trinken lieber Bier oder Whisky Soda.

Viele neue Fans im Westen

Anders im Westen, wo Sake mehr und mehr Fans findet. In der Frankfurter „Bar Shuka“ werden gern die co*cktails damit gemixt. Im Berliner Zwei-Sterne-Restaurant von Tim Raue bietet Sommelier André Macionga neben der Wein- auch eine Sake-Begleitung an, genau wie Tanja Grandits im Basler Restaurant „Stucki“ und Alexander Koblinger, Chef-Sommelier bei „Döllerers Genusswelten“ in Golling bei Salzburg und erster Sake-Samurai Österreichs. Dann wäre da noch Yoshiko Ueno-Müller, die den Titel als erste nicht in Japan lebende Frau erhielt und einen gut sortierten Webshop betreibt, oder Motoko Watanabe, in deren Berliner Lokal „Zenkichi“ kein Wein serviert wird, sondern nur direkt importierter Premium-Sake. „Inzwischen kommt es nur noch selten vor, dass Gäste mein Restaurant verlassen, wenn sie hören, dass es keinen Wein gibt“, sagt die in Tokio geborene Gastgeberin.

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Dabei macht Sake nicht nur zu Sushi eine gute Figur, findet Hawtin. Zur levantinischen Küche passe er ebenso wie zur italienischen: „Eine Pasta mit deftiger Tomatensauce, bestreut mit Parmesan und Bottarga, also getrocknetem Fischrogen, ist schon für sich ein Umami-Kick, dazu eignet sich Sake perfekt.“ Im Herbst kam es zu einer Kooperation zwischen „Sake 36“ und dem Kiez-Italiener gegenüber. Weitere Events sind geplant, auch Verkostungen und Tapas-Abende in der Bar – und irgendwann eine Sake-Party, denn die ist Hawtin seiner Berliner Wahlheimat noch schuldig.

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Trocken oder prickelnd: Sake-Tipps von Richie Hawtin

Auch wenn es in Mode gekommen ist, damit Drinks zu mixen, sollte man Sake am Besten pur trinken, findet Richie Hawtin. Zum Einstieg in das komplexe Univerum empfiehlt er den Manotsuro aus der Brauerei Obata Shuzo, einen klassischen, sehr trockenen Sake.

Etwas moderner ist der Aramasa Ecru aus Brauerei Aramasa Shuzu mit seiner weinartigen Säure und Fruchtigkeit. Sollte es etwas zu feiern geben, rät Hawtin zu Sparkling Sake, etwa dem Mizubasho der Brauerei Nagai Shuzo. Deren Chef ging bei einem Champagnerhersteller in die Lehre und feilte sieben Jahre lang an einem Sake, der nach der Méthode champenoise hergestellt wird. Das Ergebnis prickelt glamourös, mit Noten von Lychee, Birne und Zitrone.

Dieser Text ist aus der WELT AM SONNTAG. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.

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