Regierungskonsultationen: Wie Scholz seine Minister auf den Besuch in Polen einschwor - WELT (2024)

Hier können Sie unsere WELT-Podcasts hören

Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du hier. Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.

Podcast freigeben

Anzeige

Beinahe sechs Jahre hat keine Seite sich um ihre Wiederaufnahme bemüht. Doch an diesem Dienstag nun finden erneut deutsch-polnische Regierungskonsultationen statt. Kanzler Olaf Scholz reist mit einer zweistelligen Anzahl von Ministern nach Warschau. Dort treffen sie sich mit ihren polnischen Amtskollegen. Die Themen Sicherheit und Verteidigung stehen oben auf der Agenda, der Krieg in der Ukraine und die Rüstungszusammenarbeit, dazu Migration, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Weltkriegsentschädigungen. Die Liste ist lang.

Anzeige

Regelmäßige Regierungskonsultationen führt die Bundesregierung mit besonders wichtigen Ländern oder mit Partnerländern durch, wie zum Beispiel mit Frankreich, Italien oder Israel. In Polen war das Bundeskabinett zuletzt 2018. Danach war Schluss, das deutsch-polnische Verhältnis galt als zerrüttet.

In Berlin zumindest machen viele dafür die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) verantwortlich. Sie teilte seit ihrem Wahlsieg 2015 besonders gerne verbal gegen Deutschland aus, bezichtigte Berlin gar der Einmischung in polnische Wahlkämpfe; eine deutschlandfeindliche Rhetorik wurde zum Wesenskern der Partei.

Anzeige

Deutschland seinerseits musste wegen seiner gescheiterten Russlandpolitik, dem Bau der Nord-Stream-Pipelines und der politischen Nähe zu Moskau, einen enormen Vertrauensverlust in Polen hinnehmen, der weit über das Milieu der PiS hinausgeht.

Mit der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch den ehemaligen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk soll jedoch vieles anders werden im deutsch-polnischen Verhältnis. Der Konservative Tusk, dessen Bürgerplattform (PO) wie auch die deutschen Unionsparteien CDU und CSU ein Mitglied der Europäischen Volkspartei (EVP) ist, schlägt gegenüber Deutschland keine lauten, konfrontativen Töne an. Der Kanzler weiß das zu schätzen.

Lesen Sie auch

Regierungskonsultationen: Wie Scholz seine Minister auf den Besuch in Polen einschwor - WELT (2)

Verwerfungen mit Nachbarland

Jetzt rächt sich im Verhältnis zu Polen die deutsche Arroganz

Seit Wochen laufen in Berlin daher intensive Vorbereitungen für die Konsultationen. Deutsche und polnische Diplomaten haben WELT bestätigt, dass nach den Gesprächen nicht nur eine Abschlusserklärung, sondern ein „Aktionsplan“ verabschiedet werden solle. Deutsche und Polen wollen also gemeinsam konkret Politikziele formulieren.

Anzeige

„Das ist, auch im Vergleich zu anderen Regierungskonsultationen, schon etwas Besonderes“, sagt im Gespräch mit WELT Dietmar Nietan. Der Polen-Beauftragte, der auch Schatzmeister der SPD und Vorstandsmitglied seiner Partei ist, hat selbst in den Jahren der PiS-Regierungen viele Türen in Warschau offen gehalten. Er sei, so heißt es, sehr gut vernetzt in unterschiedliche polnischen Parteien.

Gerade für einen Sozialdemokraten ist das bemerkenswert. Die SPD nämlich hat im politischen Warschau einen schweren Stand. Das liegt an Gerhard Schröders Russlandverbindungen, aber auch an Personen wie Frank-Walter Steinmeier oder Manuela Schwesig, die in Polen wegen Russland einen ausgesprochen schlechten Ruf haben. Nietan indes hat sich immer für Polen interessiert und die Warnungen vor zu engen Russlandbeziehungen ernst genommen. Das hilft ihm – und damit auch Scholz – heute.

Lesen Sie auch

Regierungskonsultationen: Wie Scholz seine Minister auf den Besuch in Polen einschwor - WELT (3)

Neue Regierung

Plötzlich Milliarden für Polen – Wo die EU mit zweierlei Maß misst

Wie viel Wert der Bundeskanzler auf einen gelungenen Neustart in den deutsch-polnischen Beziehungen legt, zeigt folgende Szene: Während einer Kabinettssitzung soll Scholz seine Minister eingeschworen haben, dass das Treffen in Warschau ein Erfolg werden müsse. Der Kanzler, so wurde WELT berichtet, hat für seine Verhältnisse mit ungewohnter Emphase zu seinen Ministern gesprochen.

Anzeige

Anzeige

Dafür gibt es gute Gründe. Polen hat in den vergangenen Jahren trotz der EU- und deutschlandfeindlichen Politik der PiS an Statur gewonnen: Das Land ist einer der letzten wirtschaftlichen Wachstumsmotoren Europas, in den vergangenen Jahren lag das Wachstum teils über fünf Prozent, für das laufende Jahr werden etwa drei Prozent vorausgesagt.

Für Deutschland ist Polen der fünftwichtigste Handelspartner, Deutschland steht für Polen auf Platz eins. Dazu ist das Land ein militärisches Schwergewicht. Vier Prozent seiner Wirtschaftsleistung gibt Polen für Verteidigung aus. Das ist Rekord in der Nato. Als größtes Land an der Ostflanke des Bündnisses kommt Polen zudem eine besondere Rolle in der Ukraine-Unterstützung zu.

Warschau wartet auf ein Angebot

In Zeiten, in denen Frankreich Stillstand oder Chaos drohen, wird der große östliche Nachbar Polen für Deutschland besonders wichtig. Premierminister Tusk genießt zudem eine gewisse Autorität in Europa. Scholz kommt gut mit ihm aus.

Doch ein altes Streitthema holt die beiden Regierungen ein: die Wiedergutmachungen für die von Deutschen während des Zweiten Weltkriegs in Polen begangenen Verbrechen. Die PiS-Regierung hatte noch die unvorstellbare Summe von 1,3 Billionen Euro als Reparationszahlung gefordert. Das tut die neue polnische Regierung nicht mehr, sie gebraucht nicht einmal mehr den Begriff „Reparationen“.

Stattdessen erwartet sie ein Angebot von den Deutschen. Das kann, so heißt es in Diplomatenkreisen in Berlin und Warschau, eine humanitäre Geste sein, zum Beispiel die Auszahlung von Renten an Zwangsarbeiter oder Überlebende von Konzentrationslagern. Das wären geschätzt heute noch 40.000 Personen. „Die deutsche Seite etwa ist für Einmalzahlungen, die polnische für monatliche Zahlungen“, sagt WELT ein polnischer Diplomat, der anonym bleiben möchte.

Ringen um die richtigen Begriffe

Auch um Begriffe streiten sich beide Seiten wohl auf den letzten Metern. „Gegen die nun in Warschau bevorzugten ,Wiedergutmachungen‘ stemmen sich die Deutschen. Sie schlagen stattdessen ,Versöhnung‘ vor. Das sorgt auf polnischer Seite für Unmut, es erinnert an die hohlen Gesten der Vergangenheit oder Sonntagsreden, es ist nicht konkret“, so ein polnischer Diplomat.

Es gehe auch um die Restitution von geraubten Kulturgütern. Von Claudia Roth werde hier eine Geste erwartet, so der Diplomat weiter. Das Thema droht andere, für beide Seiten eigentlich wichtigere Themen zu überschatten.

Anzeige

Anzeige

Gleichzeitig betont die polnische Regierung weiterhin, so der stellvertretende Außenminister Marek Prawda zu WELT, dass es angesichts des Krieges in der Ukraine notwendig sei, die Einheit innerhalb der EU und der nordatlantischen Allianz aufrechtzuerhalten – „und die polnisch-deutschen Beziehungen sind eines ihrer Schlüsselelemente. Die Zusammenarbeit mit Deutschland in Sicherheitsfragen liegt eindeutig im Interesse Polens“, sagt der polnische Vizeaußenminister.

Lesen Sie auch

Regierungskonsultationen: Wie Scholz seine Minister auf den Besuch in Polen einschwor - WELT (4)

Polen

„Ich bin davon überzeugt, dass Russland zerfallen wird“

In Warschau und Berlin gibt es Ideen, die Frage nach Wiedergutmachung mit Sicherheitsfragen zu verbinden. Aus polnischen Diplomaten- und Regierungskreisen heißt es immer wieder, dass Sicherheit, Sicherheit und noch mal Sicherheit für Polen höchste Priorität habe. Auch Nietan bestätigt, dass sich dies zu einem „wesentlichen Thema in der deutsch-polnischen Zusammenarbeit“ entwickle.

Denkbar ist die gemeinsame Beschaffung von Rüstungsgütern, eine intensivere Abstimmung bei der Ukraine-Hilfe oder sogar eine Finanzierung polnischer Rüstung durch Deutschland. Gerüchte gibt es darüber hinaus um eine große Investition von Rheinmetall in Polen. Das wären gewaltige Schritte, zumal die PiS die deutsch-polnische Rüstungskooperation beinahe auf null gefahren hatte.

An dieser Stelle finden Sie Inhalte von Drittanbietern

Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du hier. Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.

Drittanbieter freigeben

Grundsätzlich gilt es für beide Seiten als Erfolg, dass die Regierungskonsultationen überhaupt wieder stattfinden können. Inwieweit ein „Aktionsplan“ umgesetzt werden kann, bleibt vorerst unklar. Ein Faktor, über den in Berlin niemand gerne spricht, ist der Haushalt 2025. Die Koalitionsparteien haben ihn noch nicht ausgehandelt. In Polen allerdings hofft man, dass die guten Absichten auch mit harten Euros unterlegt werden.

Regierungskonsultationen: Wie Scholz seine Minister auf den Besuch in Polen einschwor - WELT (2024)

References

Top Articles
Latest Posts
Article information

Author: Gregorio Kreiger

Last Updated:

Views: 6477

Rating: 4.7 / 5 (57 voted)

Reviews: 80% of readers found this page helpful

Author information

Name: Gregorio Kreiger

Birthday: 1994-12-18

Address: 89212 Tracey Ramp, Sunside, MT 08453-0951

Phone: +9014805370218

Job: Customer Designer

Hobby: Mountain biking, Orienteering, Hiking, Sewing, Backpacking, Mushroom hunting, Backpacking

Introduction: My name is Gregorio Kreiger, I am a tender, brainy, enthusiastic, combative, agreeable, gentle, gentle person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.