Die VDE-AR-Normen 4100, 4105, 4110 & 4120 einfach erklärt (2024)

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Die VDE-AR-N 4100, 4105, 4110 & 4120 kurz erklärt

Photovoltaikanlagen, Blockheizkraftwerke, Batteriespeicher, Ladeeinrichtungen für Elektro-Fahrzeuge: Mit der Energiewende steigt die Zahl elektrischer Anlagen, die es an das Stromnetz anzubinden gilt. Um dabei Netzstabilität und Sicherheit zu gewährleisten, sind einheitliche Normen von großer Bedeutung. Doch welche Normen gibt es, was sind eigentlich die technischen Anschlussbedingungen und was bedeuten sie für Netzbetreiber und Elektroinstallateurinnen und -installateure?

Die VDE-AR-Normen 4100, 4105, 4110 & 4120 einfach erklärt (1)

Normungsprozesse sind in der Regel komplex und zeitaufwendig. So braucht es für die Entwicklung einer nationalen Norm nicht nur einen allgemeinen Konsens aller am Prozess beteiligter Parteien, der oft nur schwer zu erreichen ist. Darüber hinaus muss ein öffentliches Einspruchsverfahren durchgeführt werden, bei dem zahlreiche Fristen einzuhalten sind, die den Prozess weiter verlangsamen. Doch die Energiewende fordert immer mehr Erneuerbare-Energie-Anlagen und technische Lösungen beispielsweise für den Ausbau der Elektromobilität. Hier ist es entscheidend, die Netzstabilität sofort zu sichern. Normale Normierungsverfahren ermöglichen jedoch keine flexible und schnelle Reaktion auf Veränderungen. Mit den technischen Anschlussbedingungen bietet der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) die passende Lösung.

VDE-AR-N Normen definieren Mindestanforderungen an Stromnetze

Grundsätzlich sind VDE-Anwendungsregeln keine Normen im klassischen Sinne. Vielmehr sind sie als allgemeine Handlungsempfehlungen zu verstehen, die insbesondere Elektroinstallateurinnen und -installateuren helfen sollen, ein Mindestniveau an Sicherheit zu erreichen und die nationale wie auch internationale Normungsarbeit vorzubereiten. Die Entwicklung der Regeln kann von jeder Person initiiert werden und braucht bis zur Publikation nur zwei bis drei Monate. Voraussetzung ist einzig die Einhaltung der Anforderungen, die im VDE-Vorschriftenwerk (VDE0022) festgelegt sind und die Abwendung von Gefahren für Menschen, Tiere und Umwelt durch elektrische Anlagen betreffen.

Eine spezielle Klasse der VDE-Normen, zum Teil auch technischen Anwendungsrichtlinien (TAR) genannt, sind die VDE-AR-N Normen, die der VDE gemeinsam mit dem Forum Netztechnik/Netzbetrieb (FNN) festgelegt hat. Hierbei geht es um Mindestanforderungen an Stromnetze. In den Normen wird nach aktuell geltenden Anschlussregeln festgelegt, wie die Anbindung von Anlagen an das Stromnetz und der Betrieb gestaltet sein müssen. Unterschieden wird dabei zwischen:

  • VDE-AR-N 4100 für den Anschluss und Betrieb von Anlagen an das Niederspannungsnetz
  • VDE-AR-N 4105 als Erweiterung der grundlegenden Anforderungen an Erzeugungsanlagen im Niederspannungsnetz
  • VDE-AR-N 4110 für den Anschluss und Betrieb von Anlagen an das Mittelspannungsnetz
  • VDE-AR-N 4120 für den Anschluss und Betrieb von Anlagen an das Hoch- und Höchstspannungsnetz

VDE-AR-N 4100 und VDE-AR-N 4105: Standards für das Niederspannungsnetz

Die VDE-AR-N 4100 definiert den nationalen Standard bezüglich des Netzanschlusses von Anlagen im Niederspannungsnetz. Dazu gehören vor allem Ladeeinrichtungen für E-Fahrzeuge, für die ein netzdienliches Verhalten gefordert ist. So soll die Ladung an die aktuelle Spannung im Netz angepasst werden, um Lastspitzen zu vermeiden. Grundsätzlich sind in der Norm folgende Aspekte geregelt.

  • Allgemeine Grundsätze des Netzanschlusses
  • Ausgestaltung des Netzanschlusses
  • Ausgestaltung des Hauptstromversorgungssystems
  • Zählerplätze und Zählerschränke
  • Stromkreisverteiler
  • Steuerung und Datenübertragung, Kommunikationseinrichtungen
  • Betrieb der Anlage
  • Auswahl von Schutzmaßnahmen
  • Anforderungen an Anschlussschränke im Freien
  • Vorübergehend angeschlossene Anlagen

Durch den Ausbau im Bereich der Photovoltaikanlagen stehen insbesondere Nieder- und Mittelspannungsnetze vor großen Herausforderungen, wenn es gilt, diese Anlagen einzubinden. Daher ist mit der VDE-AR-N 4105 eine Ergänzung zur Norm 4100 entstanden, die sich speziell auf die Anforderungen an Erzeugungsanlagen im Niederspannungsnetz bezieht. Während die Norm ursprünglich nur für kleine Anlagen bis 135 kW galt, hat nun eine Novellierung stattgefunden. Heute findet die VDE-AR-N 4105 bei allen PV-Anlagen Anwendung, deren Leistung nicht höher als 500 kW ist und deren vereinbarte Einspeiseleistung 270 kW nicht übersteigt – unabhängig davon, ob die Anlage an das Nieder- oder Mittelspannungsnetz anzuschließen ist. Daraus ergibt sich für größere Anlagen eine deutliche Vereinfachung.

Mit der Neureglung ist künftig nur ein übergeordneter Entkupplungsschutz erforderlich, während, anders als zuvor, weder ein Anlagenzertifikat B noch eine Konformitätserklärung benötigt wird. Damit sinkt nicht nur der Aufwand. Zugleich erlangen Eigenverbrauchsanlagen denselben Status wie Volleinspeiseanlagen, wodurch nicht länger ein EZA-Regler notwendig ist, der die Steuerung am Netzanschlusspunkt übernimmt. Je nach Leistung sind allerdings die Inselnetzerkennung zu deaktivieren, die Frequenzabschaltung auf 52,5 Hz zu erhöhen und eine Überwachung der Einspeisung umzusetzen.

VDE-AR-N 4110 und VDE-AR-N 4120: Technische Anschlussbedingungen für Mittel- und Hochspannungsnetz

Maßgebend für Anlagen von 500 kW bis 950 kW Leistung und einer Einspeiseleistung über 270 kW ist die VDE-AR-N 4110. Hier geht es vor allem um größere Ladeeinrichtungen, Blockheizkraftwerke, Batteriespeicher oder Mischanlagen. Hinzu kommen größere Erzeugungsanlagen, wie sie oftmals im industriellen oder kommunalen Bereich vorkommen und die für die Erreichung der PV-Ausbauziele der Bundesregierung dringend erforderlich sind. Für sie ist auch nach der Neuregelung weiterhin ein Anlagenzertifikat B und eine Konformitätserklärung nach Elektrotechnische-Eigenschaften-Nachweis-Verordnung (NELEV) vorzulegen. Zudem müssen die Einheitenzertifikate von den Herstellern in der Erzeugungseinheits-Datenbank niedergelegt werden. Um Systemdienstleistungen umzusetzen, ist ein EZA-Regler Pflicht.

Bei der VDE-AR-N Norm 4120 geht es zuletzt um das Hochspannungsnetz. Hier sind die Anforderungen für Planung, Errichtung und Betrieb von Anlagen ab 950 kW Leistung hinterlegt. Besonders entscheidend ist, dass im Unterschied zum Mittelspannungsnetz eine schnelle Anpassung der Wirkleistung sicherzustellen ist.

VDE-AR-N Normen setzen auf Blindleistung für Netzstabilität

Bei Anlagen im Mittel- oder Hochspannungsnetz ist also ein EZA-Regler erforderlich, der die Steuerung am Netzanschlusspunkt übernimmt. Doch was bedeutet dies konkret? Um Stabilität zu erreichen, gibt der Netzbetreiber für jeden Netzanschlusspunkt vor, welche Leistung vorliegen muss. Dies bedeutet, dass die Anlagen bei hoher Spannung möglichst wenig Strom liefern dürfen. Dies zeigt sich in einem niedrigen Wert, der an den EZA-Regler übermittelt wird. Der EZA-Regler gleicht den geforderten Wert mit dem tatsächlichen Wert ab, den er am Netzanschlusspunkt misst. Gibt es eine Diskrepanz, kommuniziert er mit der Anlage und die Stromzufuhr wird entsprechend reguliert. Im Blogbeitrag "Funktionsweise des EZA-Reglers" gibt es dazu eine ausführliche Erklärung.

Die Steuerung selbst läuft über netzstützende Systemdienstleistungen ab, die nach VDE-AR-N Norm 4110 und VDE-AR-N Norm 4120 Pflicht sind. Dazu gehören unter anderem die Wirkleistungsregelung P und Fault Ride Through (FRT). Besondere Bedeutung kommt der Blindleistungsregelung Q zu. Als Blindleistung wird der Anteil der Leistung bezeichnet, der keine Wirkarbeit verrichten kann, aber für den Transport der Energie zwingend erforderlich ist. Über die Erhöhung oder Senkung dieser Blindleistung durch den EZA-Regler kann die Spannung am Netzanschlusspunkt mit einfachen Mitteln den Anforderungen des Netzbetreibers angeglichen werden.

Fazit: VDE-AR-N Normen sorgen für Sicherheit

Durch den Ausbau der erneuerbaren Energien ist die Netzstabilität gefährdet. Um dem entgegenzuwirken, sind Standards erforderlich. Die VDE-AR-N Normen sind bis zur Entwicklung weitreichenderer Standards auf nationaler und internationaler Ebene maßgeblich für den Anschluss und den Betrieb von Anlagen an Nieder-, Mittel-, Hoch- und Höchstspannungsnetze. Während zuletzt die Hürden im Nieder- und unteren Mittelspannungsbereich deutlich gesenkt wurden, ist es vor allem für größere Anlagen Pflicht, einen EZA-Regler einzubinden, der eine Steuerung unter anderem der Blindleistung am Netzanschlusspunkt vornehmen kann. Wie die Netzstabilität bei mehreren Anschlusspunkten gesichert werden kann, lässt sich zudem in diesem Kundenbeispiel nachlesen.

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